In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg besuchten Tausende von Männern im Deutschen Reich regelmäßig Schießstände und trafen sich in den Sälen der Schützenvereine. Als Ausdruck einer rein männlichen, patriotischen Geselligkeit beriefen sich die Schützenvereine auf einen illustren Ursprung in den einstigen Bürgerwehren, die im Spätmittelalter und in der Neuzeit Städte und Dörfer verteidigten. Diese Tradition des bewaffneten Bürgertums erhielt in den nachfolgenden Jahrhunderten eine neue Bedeutung, der Hauptzweck der modernen Schützenvereine wurde in erster Linie die moralische Verteidigung der Gemeinschaft. Aber was verblieb von der ehemals militärischen Berufung dieser Vereine? Und warum erfreuten sich so viele gewöhnliche Männer daran, ein Gewehr anzulegen und sich im Schießen zu üben?
Auf der Grundlage einer genauen Analyse der Schützenvereine zwischen 1871 und 1914 bietet das Buch ein Porträt des Deutschen Reiches und seiner Spannungen in einer Zeit, die von Nationalisierung, aber auch von Kolonisierung und Auswanderung geprägt war. Entgegen der wohlwollenden Lesart, die diese als Ausdruck reinen Freizeitvergnügens betrachtete, erweisen sich die Schützengesellschaften als eine Stütze der sozialen Ordnung mit stark normativem Charakter, welchen auch die Anwendung von Gewalt nicht fremd war.
Nicola Camilleri, Una cultura delle armi. Identità maschile e società di tiro nell'Impero tedesco (1871–1914), Roma: Carocci editore 2024 (Studi Storici Carocci), ISBN 978-8-8290-1817-8.